29. Januar 2012

家有囍事 - Jiā yǒu xǐ shì

Erst kurz vorm Ende der großen Reise stand ein Ausflug auf dem Terminplan, der unseren Beiden schon vom ersten Uni-Tag an von jedem empfohlen wurde. Den "Ocean-Park", so versicherte jeder, muss man unbedingt besuchen. Und so machten sie sich im späten Januar, bei sonnigen 20 Grad, auf in den Süden Hong Kongs, um den außergewöhnlichen Freizeitpark direkt am Meer zu besuchen. Die blaue Küste schien kopfüber in den Loopings noch wundervoller und in den rasanten Kurven der, an steilen Hängen positionierten, Achterbahnen war die Aussicht noch atemberaubender. Doch auch für die weniger abenteuerlich veranlagten Besucher bot der Park mehr als genug. Ein riesiges Aquarium überzeugte mit den exotischsten Meerestieren und das Panda-Männchen "An An" gewann schnell die Sympatie unserer Abenteurer. Am Abend überraschte der Park mit einer gewaltigen Wasser-/Feuer-/Licht-/Musik-Show, welche auf märchenhafte Weise eine Geschichte über zwei konkurrierende Drachen erzählte, die sich trotz ihrer Gegensätze zusammentaten um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Als Metapher dafür, dass Menschen zusammenarbeiten müssen um die Umwelt zu erhalten, hinterließ diese Attraktion großen Eindruck bei unseren Beiden.

Die letzten Tage in der traumhaften Großstadt schienen immer rasanter zu verfliegen. Daniel und Anna wurde immer bewusster, dass die Zeit immer knapper wurde und so versuchten sie beinahe schon panisch, jede Kleinigkeit Hong Kongs noch so intensiv wie möglich festzuhalten. "Haben wir überhaupt schon die Mensa in der Uni fotografiert? Oder die Metro-Station? Oder unseren Hauseingang?" Dementsprechend nahm das Fotomaterial noch einmal gewaltig zu. Trösten konnten sich unsere Beiden jedoch damit, dass eine der größten Attraktionen noch auf sie wartete - das Chinesische Neujahr. In den Tagen vor dem großen Fest ist das Besuchen von Neujahrsmärkten Tradition. Gemeinsam mit ihrer Freundin Cherry bewunderten unsere Abenteurer das faszinierende Angebot eines dieser Märkte und kauften sich unter anderem ein großes aufblasbares Stück Fleisch und Drachenklauen-Handschuhe. Doch nun hieß es Abschied nehmen - für Anna und Daniel von ihren Freunden und für ganz Hong Kong vom alten Jahr. Das Jahr des Hasen wurde nun vom Jahr des Drachen abgelöst. Eine große Parade mit Drachentänzen, Musik und Festwagen lockte am ersten der drei Feiertage hunderttausende Menschen ins Zentrum der Stadt. Vereine aus aller Welt präsentierten sich und für die beliebtesten Reiseziele der Region wurde unterhaltsam Werbung gemacht.

Besonders freuten sich unsere Beiden über die Teilnahme von Orten die sie in den letzten Monaten selbst besucht hatten. Begleitet wurde die Parade durch gelegentliche leichte Regenschauer und so befürchteten Anna und Daniel, dass der kommende Tag, ihr letzter vor der Abreise, ein wenig "ins Wasser fallen" könnte. Der zweite Tag der chinesischen Neujahrsfeier bietet nämlich stets ein riesiges Feuerwerk - ein perfekter Abschluss für das große Abenteuer, dachten sich unsere Zwei damals bei der Planung. Die Skyline am Victoria Harbour war selbstverständlich Schauplatz für dieses große Ereignis. Der Himmel über den Wolkenkratzern war an diesem Abend trist und grau und spiegelte damit ein wenig das Befinden unserer Abenteurer, aufgrund ihrer baldigen Abreise, wider. Tatsächlich kamen auch immer wieder Regenschauer auf, sodass unsere Beiden schon bis auf die Knochen durchgeweicht und -gefroren waren, noch lange bevor das Feuerwerk begann. Dies lag letztlich vor allem daran, dass sie als einzige ohne Regenschirm immer wieder die herablaufenden Wasserschwälle der ringsum liegenden Schirme abbekamen. Doch verloren sie nicht den Mut und als endlich die erste Rakete gen Himmel schoss, waren auch alle sichtraubenden Regenschirme wieder eingepackt. Das Spektakel begann!

Eine halbe Stunde lang verzauberten tausende Raketen, von Musik begleitet, den Himmel zu einem leuchtend bunten Meisterwerk. Einige malten Smilys in die Lüfte, andere ließen unzählige funkelnde Lichter auf die Hochhäuser und den Hafen herabregnen. Die farbenfrohen Explosionen übertrafen in ihrer Größe bei Weitem die Höhe des größten Gebäudes Hong Kongs und erstreckten sich über eine Breite, die nur mit Kopfschwenken zu erfassen war. Bei diesem Anblick, als ein perfektes Finale für ein perfektes Semester, war auf den Gesichten beider Studenten jeweils mindestens eine kleine Träne zu erkennen. Das Feuerwerk wollte und sollte nicht zuende gehen und der Akku der Videokamera gab schon auf, noch bevor die letzte Rakete den Hafen erhellte. Man könnte sagen, dass eben jene Rakete das Ende dieser fantastischen Reise markierte. Als Daniel und Anna sich entschlossen, zurück zu ihrer Wohnung zu gehen, war es kaum möglich voranzukommen. Trotz der Absperrung mehrspuriger Straßen zugunsten der Fußgänger dauerte der Weg aufgrund der abertausenden Menschen ewig. Es war beinahe so, als wollte Hong Kong die Beiden gar nicht gehen lassen. Doch schließlich erwartete sie ihre letzte Nacht. Die Wohnungsabgabe stand am nächsten Tag um 11 Uhr vormittags an, der Flug jedoch erst über 12 Stunden später. Die Sorgen, wie und wo diese Zeit verbracht werden sollte waren jedoch vollig umsonst, da der nette Vermieter (welcher, da er nicht englisch sprach, seinen Sohn als Übersetzer mitnahm) ihnen anbot, noch bis zum Ende des Tages dort zu bleiben. Ohne eine Überprüfung des Zustandes der Wohnung war es völlig in Ordnung, die Schlüssel am Abend einfach im unabgeschlossenen Raum liegen zu lassen. Noch überraschender war, dass unseren Beiden wie selbstverständlich Geld von ihrem Vermieter geschenkt bekamen. Zum Neujahr ist es in China nämlich Tradition, kleine Geldgeschenke in hübsch verzierten Umschlägen zu machen.


Die Koffer, bis auf den letzten Millimeter voll gepackt (dank intensivem, 5-monatigen Souvenirsammeln), mussten nun die acht Stockwerke hinab geschleppt und in eines der zahlreichen roten Taxis verfrachtet werden. Entlang der Highways in Richtung Flughafen konnten Anna und Daniel noch einmal einen letzten Blick auf die schönsten Gebäude Hong Kongs werfen. Der "Bank of China Tower", der "2IFC-Tower", das "International Commerce Centre" (mit 108 Stockwerken Hong Kongs höchstes Gebäude und fünfthöchstes der Welt) und weitere Höhepunkte der vergangenen Monate zogen an ihnen vorbei. Einmal noch war die Skyline in ihrer gesamten Pracht in der Ferne zu erblicken und verschwand schließlich im Dunkel der Nacht. Es regnete. Viele kleine Regentropfen als Abschiedstränen - Hong Kong weinte. Am Flughafen angekommen genossen unsere Beiden noch ein letztes Mal das Essen in ihrem Lieblingsrestaurant: Ajisen Ramen. Schon jetzt war ihnen klar, dass sie die leckere japanische Nudelsuppe sehr vermissen würden. Der Rückflug über London war ein langer. Der erhoffte Blick von oben auf die glitzerne Stadt bei Nacht blieb aufgrund des fehlenden Fensterplatzes leider aus. Über das Entertainment-System schauten die Studenten Filme oder spielten Videospiele, sie genossen das Essen im Flieger und schliefen. Die Tatsache, dass alles nun vorbei war, schien unwirklich. Bald würden sich Daniels und Annas Eltern am Berliner Flughafen einfinden und sehnsüchtig die Ankunft ihrer Lieben erwarten, denen sie ein so wundervolles Abenteuer ermöglicht hatten. Die Rückreise war anstrengend. Dank der Zeitverschiebung durchlebten sie über 21 Stunden Dunkelheit und Nacht. Doch endlich ging die Sonne auf und Deutschland war nah. Berlin empfing unsere Reisenden mit eisig trockener Morgenluft und frierend wurde ihnen langsam klar: Es ist vorbei!




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